Praxis

Vom hohen Wert der langfristigen Beratung und Koordination

Ältere Menschen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen erhalten in der Stadt Bern mit Betreuungsgutsprachen eine wichtige Unterstützung für Angebote, die sie sich nicht leisten können. Seit August 2023 ist das Angebot der Gutsprachen definitiv im Regelangebot verankert. Im Rahmen des Pilotprojektes hat die Stadt eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Die Beratung und Begleitung der älteren Menschen sind zentral.

Bevor jemand in Bern eine Betreuungsgutsprache erhält, findet eine Abklärung statt. Die Projekterfahrungen und die Evaluationen haben dabei gezeigt: Ein Abklärungsverfahren muss deutlich mehr sein, als einfach das Ausfüllen eines Fragebogens und ein formeller Entscheid für den Gutsprachenbezug. In einer ersten Projektphase wurde festgestellt, dass einige Personen, die eine Zusage für die Gutsprachen erhalten hätten, diese trotzdem nicht beziehen. Die Auswahl der Anbietenden und die Bestimmung der konkreten Leistung kann eine Überforderung darstellen. Ganz im Sinne eines agilen Pilotprojektes konnte der Prozess dann so angepasst werden, dass die älteren Menschen – auch über das eigentliche Abklärungsgespräch hinaus – begleitet werden, bei Bedarf ein telefonisches Nachgefassen möglich ist und das Einlösen der Gutsprachen mit ihnen zusammen umgesetzt wird.

Die Stadt Bern hat damit eine wichtige Erkenntnis gewonnen, die auch in viele Vernehmlassungs-Stellungnahmen zur geplanten Erweiterung der EL-Leistungen auf Bundesebene eingeflossen ist: Wir müssen nicht nur konkrete Betreuungsleistungen finanzieren, sondern auch eine frühzeitige und langfristige, persönliche und psychosoziale Beratung der älteren Menschen, die Betreuungsbedarf haben. Ganz im Sinne der sechs Handlungsfelder einer guten Betreuung, die auch das Feld «Beratung und Koordination» beinhalten.

«Hier hat die Pilot-Umsetzung deutlich gezeigt, dass ein beträchtlicher Teil der Empfängerinnen und Empfänger von Gutsprachen zusätzlich Unterstützung braucht, um sich zu organisieren, Leistungen auszuwählen, diese dann kontinuierlich zu beziehen und die Belege zur Rückerstattung einzusenden. Diese Unterstützung muss initial Bestandteil des Angebots Betreuungsgutsprachen sein.»
Soom & Blaser (2022, S.5)