Politisches Forum Mai 2023
Gute Betreuung im Alter – eine Aufgabe auf allen drei föderalen Ebenen
Das gemeinsame Forum von Pro Senectute Schweiz und der Paul Schiller Stiftung am 2. Mai in Bern machte die Dynamik des Themas «Gute Betreuung im Alter» auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene deutlich spürbar. Es braucht das Engagement aller Beteiligten, um voranzukommen.
Betreuung im Alter ist neben der Finanzierung der Altersvorsorge und der Sicherung der Pflegeversorgung zum zentralen Thema der Alterspolitik in der Schweiz geworden – auf allen Ebenen. Dies hält Eveline Widmer-Schlumpf, Stiftungsratspräsidentin von Pro Senectute Schweiz, in ihrer Begrüssung fest. Der Bedarf an Betreuung ist heute bereits hoch und wird weiter zunehmen. Dies zeigen Studien beider Veranstalterinnen auf. Die Paul Schiller Stiftung gibt mit dem Modell «Betreuungsgeld für Betreuungszeit» einen Orientierungspunkt vor. Wie auch die Paul Schiller Stiftung plädiert die ehemalige Bundesrätin dafür, dass gute Betreuung für alle niederschwellig zugänglich sein sollte, unabhängig der finanziellen Situation und Wohnform.
Die Dynamik zeigt sich auch im grossen Interesse am politischen Forum: Vertreterinnen und Vertreter von Fachverbänden, Dachorganisationen, Fachhochschulen, Gemeinden, Kantonen und Bundesämtern nahmen die Gelegenheit wahr, Einblicke in aktuelle Prozesse und Fragestellungen zu erhalten und sich auszutauschen.
Astrid Wüthrich, Vize-Direktorin des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), sieht Betreuung im Alter als eine sozialpolitische Aufgabe. Seitens Bund soll, so wollen es zwei Parallelmotionen, eine strategische Übersicht geschaffen und der Gesamtblick gesichert werden, um bestehende Instrumente anzupassen. Dies ist bei der aktuellen Fülle von Motionen und Vorstössen eine grosse Herausforderung. Eine jüngst in Auftrag gegebene Studie des BSV soll die Begriffe und vorhandenen Definitionen von Betreuung konsolidieren.
Andrea Lübberstedt, Amtschefin des Sozialamts im Kanton Zürich und Mitglied der beratenden Kommission der Sozialdirektorenkonferenz (SODK), will zügig vorangehen, die Hebel des Kantons bzw. der Kantone nutzen und Massnahmen umsetzen. Die Vision der SODK ist es, die Leistungen zu den Menschen zu bringen, anstatt die Menschen zu den Leistungen. Der Kanton Zürich will die Zusatzleistungen – so heissen die Ergänzungsleistungen im Kanton Zürich – so ausbauen, dass u.a. psychosoziale Betreuung stärker finanziert werden kann. Gleichzeitig bedauert Lübberstedt, den Fokus damit auf Menschen ohne finanzielle Mittel zu legen. Denn Menschen sollen nicht verarmen müssen, um Geld für gute Betreuung zu erhalten.
Am nächsten bei den älteren Menschen sind die Gemeinden. Sie können ihre Bedürfnisse abholen, für das Thema mobilisieren und passende Angebote schaffen. Christine Blättler-Müller, Gemeinderätin und Vorsteherin Soziales und Gesundheit in Cham und Präsidentin der SozialvorsteherInnenkonferenz im Kanton Zug, zeigt auf, wie die elf Zuger Gemeinden an einem Finanzierungsmodell für gute Betreuung im Alter arbeiten und die oft genannte «aufsuchende Altersarbeit» stärken wollen (Rückblick Stadtgespräch).
Die Mitglieder des Eidgenössischen Parlaments Flavia Wasserfallen, Jörg Mäder und Patricia von Falkenstein sowie Prof. Dr. Carlo Knöpfel, Professor für Sozialpolitik und Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz, und Eveline Widmer-Schlumpf sind sich im Panel einig:
- Aufsuchende Altersarbeit wird in Zukunft eine zentrale Bedeutung haben.
- Es ist wichtig, dass sich die Gemeinden und Kantone absprechen und auch voneinander lernen.
- Pflegeangebote werden schneller gefunden als gute Betreuungsangebote, weil Betreuung – insbesondere deren Finanzierung – nicht geregelt ist.
- Der Bund soll die Definition von Betreuung auf Grundlage von vorhandenen Studien festlegen, damit die Finanzierung geklärt werden kann.
In diesem Zusammenhang erwähnen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch die Möglichkeit einer Reform der Hilflosenentschädigung sowie die Motion 18.3716 «Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen», deren Vernehmlassungsstart nach wie vor aussteht.
Herbert Bühl, Stiftungsratspräsident der Paul Schiller Stiftung, ermutigt zum Schluss alle Anwesenden, am Thema dranzubleiben und gemeinsam Schritt für Schritt vorwärtszugehen. Denn es braucht das Engagement vieler Einzelner, der Fachorganisationen, der Politikerinnen und Politiker, die sich mit den Details auseinandersetzen und das Thema in ihrem Umfeld voran bringen. Strategien und konkrete Instrumente sind notwendig.