Praxis

Auf einen Kaffee zu zweit oder doch lieber mit auf den Gruppenausflug?

Seit bald eineinhalb Jahren arbeitet Patricia Gwilliam als Siedlungs- und Wohnassistentin in der Alterssiedlung Tannenbach der Gemeinde Horgen. Mit ihrem beruflichen Hintergrund in der Sozialen Arbeit versteht sie es, in ganz unterschiedlichen Situationen auf die individuellen Bedürfnisse der älteren Menschen einzugehen und sie mit anderen in Kontakt zu bringen.

Mit der Siedlungs- und Wohnassistenz unterstützt die Gemeinde Horgen die älteren Menschen dabei, so lange wie möglich selbstständig und bei guter Lebensqualität zu Hause zu leben. Insgesamt vier Fachfrauen bieten Beratungen mit Bedürfnis- und Bedarfsanalysen auf dem ganzen Gemeindegebiet an. Ihre Büros haben sie dezentral in je einer Alters- oder Mehrgenerationensiedlung. Patricia Gwilliam empfängt die älteren Menschen in ihrem Büro oder besucht sie zu Hause, um gemeinsam mit ihnen einzuschätzen, was bereits gut funktioniert, was zusätzlich organisiert werden könnte und wer sich dafür eignet.

Menschen finden, die sich Zeit nehmen

Gerade die Vernetzung ist eine wichtige Aufgabe in Patricia Gwilliams Berufsalltag. Sie bringt Menschen zusammen, die von selbst vielleicht nicht zusammenfinden würden. Oft arbeitet sie mit der organisierten Nachbarschaftshilfe zusammen, um eine freiwillig Engagierte oder einen Nachbarn aus der Siedlung zu finden, der einen älteren Menschen beim Einkauf, bei einer administrativen Aufgabe oder bei anderen Arbeiten unterstützt. Wenn möglich, packen die unterstützende Person und der ältere Mensch die Aufgabe gemeinsam an. Ist dies nicht möglich, bringt beispielsweise der Nachbar den Einkauf vorbei und bleibt noch auf einen Kaffee und einen Schwatz. Auch in der Quartierarbeit engagiert sich Patricia Gwilliam, um die Siedlungsbewohnerinnen und Siedlungsbewohner und zum Beispiel die benachbarte Schule für Aktivitäten wie Singen, Vorlesestunden oder Back-Nachmittage miteinander in Kontakt zu bringen.

Abwägen, was machtbar ist

«Das Bedürfnis vieler älterer Menschen nach sozialem Kontakt ist gross. Was das aber konkret bedeutet, ist sehr verschieden», beobachtet Patricia Gwilliam. Die einen fühlen sich bei Aktivitäten mit einer Gruppe wohl, andere ziehen Gespräche zu zweit vor. Um möglichst vielen Bedürfnissen gerecht zu werden, achtet sie auf ein vielfältiges Angebot. Sie organisiert Anlässe wie den regelmässigen Kaffeenachmittag, einen Grillplausch oder einen seniorengerechten Tagesausflug in die Berge. Dabei wägt sie jeweils sorgfältig ab, was für möglichst viele der älteren Menschen machbar ist: Was lässt die körperliche Verfassung zu, was die finanzielle Situation? Bei einigen fällt ein Beitrag an die Carfahrt oder ans Mittagessen schon so stark ins Gewicht, dass sie nicht teilnehmen können. Andere wollen nicht auf eine Ausfahrt, weil sie lieber ein weniger körperlich aktives Angebot nutzen, etwas im kleineren Kreis machen oder etwa akustisch überfordert sind bei Anlässen in Gruppen. Dafür gibt es alternativ zum Beispiel Spielnachmittage oder auch den Kino-Treff.

«Mir ist wichtig, den älteren Menschen stets auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.»
Patricia Gwilliam, Siedlungs- und Wohnassistentin in Horgen

Nebst der finanziellen Hürde sieht Patricia Gwilliam in der Betreuungsarbeit auch eine Herausforderung im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmungsrecht und Unterstützungsangeboten. Als Sozialarbeiterin kann sie einem Menschen und seinem sozialen Umfeld aufzeigen, welche Unterstützungsangebote in seiner spezifischen Situation sinnvoll sind. Sie kann ein Unterstützungsnetzwerk aufgleisen und bleibt wenn gewünscht im Austausch mit involvierten Stellen (Spitex, Beiständen, Sozialdienst des Seespitals usw.) und kann auf negative Folgen hinweisen, wenn ein älterer Mensch keine Unterstützung annimmt. Doch jeder Mensch entscheidet frei, ob er Angebote in Anspruch nehmen will. Das ist sein Recht zur Selbstbestimmung, und das ist gut so. «Mit den meisten Menschen baue ich ein Vertrauensverhältnis auf, das braucht oft Geduld und Beharrlichkeit, bis sie offen für Empfehlungen sind», so Patricia Gwilliam. «Mir ist wichtig, den älteren Menschen stets auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.»

Patricia Gwilliam ist es ein Anliegen, dass die Sozialen Berufe vermehrt am politischen Diskurs über die Betreuung im Alter teilnehmen und aufzeigen, wie sie ältere Menschen zu stärken wissen. Denn nicht alle haben ein soziales Netz, das sie auffängt und auf sie eingeht. Hier setzt die Soziale Arbeit an.

Siedlungs- und Wohnassistenz der Gemeinde Horgen