Rückblick Live-Talk

Potenzial Sozialer Berufe in der Betreuung älterer Menschen nutzen

So viele Zuschauende wie noch nie verfolgen am 6. November 2023 den online Live-Talk zum Potenzial Sozialer Berufe für die Betreuung im Alter. Mit Sonja Hasler diskutieren Prof. Carlo Knöpfel, Dr. René Rüegg, Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber sowie Selina Bühler und Milena Mischol aus der Praxis. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Gespräch.

Alle Teilnehmenden sind überzeugt: Soziale Berufe bieten ein enormes, noch weitgehend ungenutztes Potenzial für ältere Menschen. Um psychosoziale Betreuung möglich und für alle bezahlbar zu machen, müssen politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger die Rahmenbedingungen in den Instiutionen, die Finanzierung der Betreuung und damit auch des Einsatzes Sozialer Berufe ermöglichen.

Soziale Berufe verfügen über Kernkompetenzen der Betreuung

Live-Talk-Stammgast und Professor der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Carlo Knöpfel, kontextualisiert den Fachkräftemangel im Bereich der Betreuung: Die Ressourcen der Familien, die bisher noch die meiste Betreuung leisten, nehmen ab und gleichzeitig gibt es immer mehr ältere Menschen, die immer älter werden. Daher steigt der Bedarf nach einer professionalisierten Betreuung.

Genau diese Nachfrage könnten Soziale Berufe decken. Prof. Carlo Knöpfel hebt die eindrückliche Passgenauigkeit von Bedürfnissen älterer Menschen nach psychosozialer und agogischer Betreuung und den professionellen Kompetenzen sozialer Berufe hervor. Sozial ausgebildete Personen verfügen beispielsweise über eine hohe Expertise und einen Erfahrungsschatz in der Gesprächsführung, im Zusammenführen von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren und im Mitgestalten von Angebotslandschaften, die sich an den Bedürfnissen der älteren Menschen orientieren.

Anhand einer Infografik aus dem entsprechenden Impulspapier der Paul Schiller Stiftung wurde die Fülle an unterschiedlichen Ausrichtungen und Ausbildungsstufen Sozialer Berufe verdeutlicht, von denen die Betreuung profitieren könnte.

Psychosoziale Betreuung als Grundbedürfnis

Dr. René Rüegg, Mit-Autor der Studie «Sozialarbeit in Spitex-Organisationen» der Berner Fachhochschule, geht darauf ein, dass in der Betreuung viele wichtige soziale Themen wie Einsamkeit, Alltagsgestaltung und Mobilität auftauchen. Für diese sei aber genau genommen noch niemand zuständig. Hier müssen Sozial Berufe die Kompetenzen der Pflegefachkräften ergänzen. Eine stärkere psychische Unterstützung älterer Menschen durch Betreuung würde im Alltag einen deutlichen Unterschied machen und präventiv wirken.

Diese Verbesserungen des Wohlergehens durch psychosoziale Arbeit bestätigt auch Selina Bühler, Schweizermeisterin Berufsmeisterschaft FaBe und Fachperson Betreuung im Betagtenzentrum Linde in Grosswangen. Sie erzählt von ihrem Alltag in einer Demenzabteilung und sagt, wie sehr Eins-zu-eins-Aktivitäten geschätzt werden und dass die notwendige Pflege oft erst möglich wird, nachdem man den akuten Betreuungsbedürfnissen gerecht wurde.

Fehlende Finanzierung liegt an der Politik

Milena Mischol hat sich als soziokulturelle Animatorin FH auf Eigeninitiative im Alters- und Gesundheitszentrum Riedbach in Adligenswil beworben, weil sie selbst das Potenzial Sozialer Berufe für die älteren Menschen erkannte. Ihre Arbeit mache das Alterszentrum zu einem lebendigeren Raum und schafft Begegnungsmöglichkeiten mit den Menschen im Quartier. Sie findet es wichtig, vermehrt Menschen in Entscheidungspositionen mit einem sozialberuflichen Hintergrund in Teams einzubauen.

Im Dialog mit Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber fokussiert der Live-Talk auf die Verantwortung der Politik. Es sei einiges im Gange, aber eher noch in kleinen Teilen, zu wenig im grossen Ganzen gedacht. Sie sagt, dass Praxisbeispiele helfen, den konkreten Mehrwert von zugänglicher Betreuung aufzuzeigen und zu argumentieren. Es sind politische Lösungen für neue Rahmenbedingungen erforderlich – sowohl auf kommunaler und kantonaler Ebene als auch in Bundesbern. Denn in den alt hergebrachten Strukturen ist bisher nur die Pflege bezahlt. Der Einsatz Sozialer Berufe muss durch Finanzierung von Betreuung ermöglicht werden.

Dafür soll auf allen Hierarchiestufen sowie ambulant und stationär ein Umdenken stattfinden, betonen sowohl Katharina Prelicz-Huber als auch Prof. Carlo Knöpfel im Live-Talk. Für eine gute Betreuung im Alter muss die Schweiz den begonnenen Paradigmenwechsel konsequent weiterverfolgen – dazu gehören die Finanzierung, die Stellenpläne und Arbeitsbedingungen sowie das Fach- und Führungspersonal für eine gute psychosziale und agogische Betreuung.