Praxis

Ältere Menschen mit Migrationshintergrund ganzheitlich unterstützen

Mit dem Projekt «Alter und Migration Schweiz» verbessert HEKS die Lebensbedingungen von jährlich circa 2’100 älteren Menschen mit Migrationshintergrund. Vielfältige Aktivitäten stärken die Gesundheit und fördern das psychosoziale Wohlbefinden.

Viele der Menschen, die aus dem Ausland kamen, als die Schweiz Arbeitskräfte brauchte, haben heute das Rentenalter erreicht. Sie haben aufgrund verschiedener Faktoren einen besonders erschwerten Zugang zu Betreuungsangeboten im Alter. Das Projekt «Alter und Migration Schweiz» (AltuM) des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (HEKS) nimmt sich über 55-jährigen Migrantinnen und Migranten daher gezielt an.

Wie überall in der Betreuung ist es wichtig, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Petra Graf vom Projekt HEKS AltuM sagt: «Negative Erfahrungen im Kontakt mit der Regelstruktur oder staatsnahen Institutionen in den Herkunftsländern haben bei diesen Menschen zu einer besonderen Zurückhaltung gegenüber solchen Angeboten geführt.» Bürokratische Angelegenheiten wie Anträge für Ergänzungsleistungen seien doch schon für viele gebürtige Schweizerinnen und Schweizer kompliziert, gibt sie zu bedenken.

Interkulturelle Vermittlung von Angeboten

Es fehlt teilweise an Wissen zum schweizerischen Altersvorsorgesystem oder es gilt, die durch damals fehlende Integrationspolitik entstandenen Sprachbarrieren zu überwinden. Schlüsselpersonen sowie interkulturelle Vermittlerinnen und Vermittler von HEKS AltuM helfen dabei, die älteren Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen. Informationsveranstaltungen zu sozialen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und rechtlichen Aspekten des Alterns und zu den Möglichkeiten der Selbstsorge werden in viele Muttersprachen übersetzt. Petra Graf erzählt: «Eine ältere Frau im Aargau war sehr überrascht, als sie in unserem Kurzfilm von den Dienstleistungen der Spitex und der Pro Senectute erfuhr. ‹Ich dachte, das sei nur für Menschen mit Schweizerpass›, sagte sie erstaunt.»

Selbstsorge, soziale Teilhabe und Alltagsgestaltung

Neben der Aufklärungsarbeit bietet das Projekt vielfältige Kurse – von Schwimmen und Yoga über Gestalten bis zu Computer-Grundwissen – sowie auch andere Aktivitäten für die soziale Teilhabe und Alltagsgestaltung. Viele ältere Menschen mit Migrationshintergrund kämen aus kollektivistischen Gesellschaften, wo Familie und Freunden eine noch wichtigere Rolle im Alltag spielen, erklärt Petra Graf. So sei es ihnen besonders wichtig, ein Grüppchen zu haben, mit dem sie etwas unternehmen. Der 75-jährige Syrer Abdulla, der vor einigen Jahren wegen seiner kranken Tochter in die Schweiz kam, sagt: «Ich würde mich gerne mit Schweizerinnen und Schweizern unterhalten. Aber ich bin zu spät hierher gekommen, um noch gut Deutsch zu lernen. Darum schätze ich den Austausch in unserer arabischsprachigen Gruppe sehr.»

«Gerade diese Treffpunkte sind für viele sichere Orte, an denen sie für die ganze Woche Kraft tanken können»
Petra Graf, HEKS AltuM

HEKS AltuM hilft den älteren Menschen, eine Kultur-Legi zu bekommen, geht mit ihnen spazieren oder organisiert Grillabende und regelmässige Kaffee-Treffs. «Gerade diese Treffpunkte sind für viele sichere Orte, an denen sie für die ganze Woche Kraft tanken können», sagt Petra Graf, «manchmal führen wir dort mit Fachleuten beispielsweise Psychoedukation durch. Sie erklären sorgfältig die physischen Auswirkungen von Stress nach traumatischen Erlebnissen und Diskriminierungserfahrungen und machen mit den älteren Menschen Körperübungen. Trotz anfänglich grosser Vorbehalte gegenüber Psychologie und Therapie berichteten die Teilnehmenden danach begeistert von positiven Veränderungen im Alltag.»

Aktuell setzen 11 Mitarbeitende, 11 interkulturelle Vermittlerinnen und Vermittler sowie 33 ehrenamtliche Schlüsselpersonen das Projekt HEKS AltuM in sieben Kantonen um.