Interview
Nach Ja zu 13. AHV-Rente und Impulsprogramm: «Die verschiedenen Altersthemen müssten im Grossen und Ganzen betrachtet werden.»
Ständerat und Altersexperte Simon Stocker analysiert im Interview die Bedeutung und Auswirkungen, welche die Zustimmung zur 13. AHV-Rente sowie zum Impulsprogramm zur «Prävention von Gewalt im Alter» auf das Thema Betreuung haben.
Die Debatte zum Impulsprogramm Ende Februar war die erste, in der Sie als Ständerat aktiv mitdiskutiert haben. Die Motion, die den Bundesrat mit einem Impulsprogramm beauftragt, wurde mit 21 zu 19 Stimmen überwiesen. Ein knappes Resultat! Was gab aus Ihrer Sicht den Ausschlag für die Annahme?
Inhaltlich hat niemand bestritten, dass Handlungsbedarf besteht. Bezüglich Finanzierung und Zuständigkeiten gab es kritische Stimmen. Hier konnten wir offenbar die Mehrheit überzeugen, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund und den anderen Akteurinnen und Akteuren sinnvoll ist.
Es gibt noch einige wichtige alterspolitische Themen, die in der Bundespolitik diskutiert werden. Was können wir aus der Debatte und dem politischen Prozess zum Impulsprogramm lernen, um auch anderen Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen?
Die Zusammenarbeit der verschiedenen föderalen Ebenen und der Einbezug relevanter Akteurinnen und Akteure waren ein starkes Argument. Das hat auch dazu geführt, dass wir viele Ständerats-Mitlieder erreichen konnten, die sich in irgendeiner Form oder Organisation alterspolitisch engagieren. Diese direkte Ansprache von Mitgliedern auf verschiedenen Kanälen war hilfreich.
Der Bundesrat ist mit Überweisung der Motion nun beauftragt, das Impulsprogramm zu realisieren. Das zuständige Bundesamt für Sozialversicherung wird das umsetzen. Sie arbeiten im Alterssektor, haben mit ihrer Arbeit Einblick in viele Aspekte des Alters und der Organisation der Alterspolitik. Was muss bei der Umsetzung aus Ihrer Sicht beachtet werden? Wie stellen Sie sich ein wirkungsvolles Impulsprogramm zur Prävention von Gewalt im Alter vor? Und welche Rolle spielt die Betreuung, welche im Vorstoss ja explizit als Fokus des Programms genannt wird?
Das schöne im Alterssektor ist, dass sich die Organisationen und Personen bereits gut kennen. Auch ein Konzeptentwurf liegt vor. Wir können also schnell mit der Umsetzung starten. Das Thema Betreuung steht dabei im Zentrum. Im Bericht zum Postulat Glanzmann wurden die Herausforderungen Erreichbarkeit der Zielgruppe und Wirksamkeit als wichtige Aspekte erwähnt. Eine Zusammenarbeit der Organisationen aus der Praxis und der kantonalen sowie kommunalen Ebenen wird deshalb wichtig, damit auch wirklich etwas bewegt und verbessert werden kann.
Neben dem Ja des Ständerates zum Impulsprogramm hat das Volk anfangs März auch Ja gesagt zu einer 13. AHV-Rente. Wie schätzen Sie den Einfluss dieses Ausbaus auf die Situation der Betreuung älterer Menschen ein? Sind nun alle (Finanzierungs-)Probleme einer guten Betreuung im Alter gelöst?
Nein, das sind sie nicht. Aber die Abstimmung zur 13. AHV hat gezeigt, dass die ältere Bevölkerung ihre Bedürfnisse politisch äussert. Darauf muss Bundesbern Rücksicht nehmen. Zudem muss ins Bewusstsein der Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger gelangen, dass Investitionen in die Betreuung auf der anderen Seite auch zu einer längeren Autonomie und Gesundheit und damit zu weniger Kosten führen. Die Finanzierung von Leistungen bleibt aber eine Herausforderung und im Fokus der politischen Diskussion.
Wie können wir sicherstellen, dass trotz der Mehrausgaben für die Umsetzung der 13. AHV-Rente politischer Spielraum bestehen bleibt, um diese von Ihnen genannten Themen anzugehen?
Der Bundesrat muss so oder so eine Vorlage zur Finanzierung der AHV bis 2026 vorlegen. Wichtig wäre es, die verschiedenen Altersthemen im Grossen und Ganzen zu betrachten – und nicht einzelne Geschäfte und deren Finanzierung. Ich habe hierzu ein Postulat zur Überprüfung der Alterspolitik aus dem Jahr 2007 eingereicht. Das gäbe die Chance, eine Auslegeordnung in der Alterspolitik vorzunehmen und danach Umsetzung, Zuständigkeiten und Finanzierungsmechanismen aufzuzeigen.
Bald ist Ostern. Wenn Sie sich ein alterspolitisches Osternestli wünschen könnten, was würden Sie zum Thema Betreuung reinpacken?
Der Bericht zum Thema Betreuung liegt dem Bundesrat vor. Wenn er den Bericht umsetzt, darf er so viel Schoggi haben, wie er will.
Zur Person
Simon Stocker ist SP-Ständerat und Co-Leiter Fachstelle Alterspolitik bei Gerontologie CH. Er möchte den Bundesrat durch das Postulat 24.3085 vom März 2024 mit der Prüfung der nationalen Alterspolitik beauftragen.