Interview
«Es braucht mehr als Einzelpersonen, es braucht ein ganzes Team»
In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von Sozialen Berufe mit Bezug zu Betreuung im Alter. Diese Breite und deren Potenzial hat Fränzi Zimmerli am Forum dargelegt. Nach der Veranstaltung haben wir mit der Geschäftsleiterin von SavoirSocial die wichtigsten Punkte im Kurz-Interview vertieft.
Weshalb gibt es für Betreuung deutlich weniger Fachkräfte als etwa bei der Gesundheit?
Die Gründe sind vielfältig. Institutionsleitende wissen: Wenn sie jemanden aus dem Gesundheitsbereich einstellen, dann machen sie nichts grundsätzlich falsch. Doch sie sollten sich überlegen, ob die angestellten Fachkräfte überhaupt dem Bedarf zur Betreuung und Pflege alter Menschen entsprechen. Nebst dem fehlenden Bewusstsein gibt es auch ein Informationsmanko bezüglich Personalzusammensetzung: Viele Leitende wissen nicht, wo sie sich dazu informieren können. Es gibt einen Mangel an konzeptionellen Grundlagen und an Beispielen oder Institutionen, die Vorbildcharakter haben. Ein Lösungsansatz wäre, den Institutionen aufzuzeigen, wie man mit vielfältigen Fachkräften und unterschiedlichen Abschlüssen zusammenarbeiten kann. Da tragen die Verbände zusammen mit den Institutionsleitenden eine Verantwortung.
Die Berufsfeldanalyse hat gezeigt, dass der Abschluss Aktivierung viele soziale Aspekte aufweist. Wie können diese gestärkt werden?
Wichtig scheint mir, wie können diese sozialen Aspekte aus der Ausbildung bei der Arbeit tatsächlich umgesetzt werden? Grundsätzlich braucht es gute Konzepte und entsprechend Fachkräfte, die diese umsetzen. Das heisst: es reicht nicht, wenn eine Institution eine einzelne Aktivierungsfachperson anstellt. Es braucht mehr als Einzelpersonen – es braucht ein ganzes Team, das über alle Hierarchiestufen hinweg sich der Betreuung annimmt und Herausforderungen und Potenziale reflektieren kann. Wenn das gelingt, dann können die Fachpersonen mit einem anderen Rüstzeug arbeiten und ihre ganze Methodik einsetzen. Diese Wechselwirkung zwischen Ausbildung und Arbeit ist nicht zu unterschätzen.
Spannend finde ich, dass in der Romandie bei der Altersarbeit ein soziokultureller Ansatz verfolgt wird. Es wäre gut, da genauer hinzuschauen und herauszufinden, was wir voneinander lernen können.
Grundsätzlich orientiert sich die Soziale Arbeit an den Ressourcen einer Person und agiert auf Augenhöhe. Bei alten Menschen geht es darum, ihre Bedürfnisse herauszufinden und mit ihnen gemeinsam herauszufinden, wie der Alltag möglichst selbständig gestaltet werden kann. Man schaut, was vorhanden ist und entwickelt daraus etwas.
Wie gelingt es, dass Fachkräfte aus sozialen Berufen bei der Altersarbeit keine Einzelkämpfer bleiben und eine tragende Rolle übernehmen?
Das Forum hat dies eindrücklich gezeigt: Dafür gibt es keine einfache Lösung – und doch einige gute Ansätze. Es bestehen unterschiedliche Haltungen und Vorstellungen, wie Fachkräfte idealerweise zusammenarbeiten oder zusammengestellt sind. In der sozialen Arbeit braucht es einen Diskurs über die Frage, wie sich die Branche bezüglich Fachkräfte entwickeln soll und wie die Strukturen idealerweise auszusehen haben. Und auch darüber, welches strategische Ziel wir längerfristig verfolgen. Erst dann können wir darüber reden, welche Massnahmen es für die erwünschte Wirkung braucht. SavoirSocial kann für diesen Diskurs eine Plattform bieten, aber es gilt dabei, die verschiedenen Akteurinnen und Akteure in die Pflicht nehmen.
Was ist Ihnen vom Forum in Erinnerung geblieben?
In der sozialen Arbeit gibt es unter den Akteuren noch keinen Konsens zur Fachkräftethematik und dass man diese Diskussion weiterführen muss. Mir ist aber auch aufgefallen, dass es ganz viel gute Beispiele gibt, etwa Institutionen, die einen spannenden Ansatz verfolgen oder ein interessantes Konzept erarbeitet haben. Sie dienen uns als Inspiration.
Zur Person
Fränzi Zimmerli, 46, ist Erziehungswissenschafterin und Geschäftsleiterin von SavoirSocial, der schweizerischen Dachorganisation der Arbeitswelt Soziales. Das Berufsfeld «Menschen im Alter» ist ein strategischer Schwerpunkt des Dachverbands.