Rückblick Tagung

Gute Betreuung im Alter: Wie sie wirkt und wem sie nützt

Anlässlich des Tages der betreuenden Angehörigen am 30. Oktober 2023 haben sich über 150 Personen in der Paulus Akademie eingefunden. Im Zentrum stand das Thema «Wie gute Betreuung wirkt und wem sie nützt».

Referate aus der Forschung, ein Plädoyer eines ehemaligen Stadtarztes und ein engagiertes Podium mit politischen und fachlichen Vertreterinnen und Vertretern beleuchteten Wirkungsaspekte aus verschiedenen Blickwinkeln. Regierungspräsident Mario Fehr dankte mit seinem Grusswort den betreuenden Angehörigen. Der Entlastungsdienst Schweiz und die Paul Schiller Stiftung, freuen sich über die klare Erkenntnis der gemeinsamen Tagung: Eine gute Betreuung muss künftig zum Service Public der Schweiz gehören.

Forschungseinblicke zeigen den hohen präventiven Wert einer guten Betreuung

Prof. Dr. Martin Hafen (HSLU Soziale Arbeit) zeigt zum Einstieg system- und präventionstheoretisch auf, wie Betreuung im Alter präventiv wirkt. Sie wirkt bei den psychosozialen Gesundheitsfaktoren und Betreuung kann Schutzfaktoren stärken und Risikofaktoren auffangen. Psychosoziale Faktoren sind in Prävention und Behandlung so bedeutsam wie die medizinischen. Eine verstärkte Einbindung sozialer Berufe in den Altersbereich ist daher unverzichtbar. Prof. Dr. Hafen betont, dass eine gute Alterspolitik in der Prävention immer deutlich wirksamer ist als jede noch so gute Plakatkampagne. Gute Betreuung muss Teil einer guten Alterspolitik sein. Das kostet etwas, aber das wirkt auch.

Dr. Rahel Strohmeier und Barbara Baumeister (ZHAW) geben Einblicke in ihre Auswertungen von Beschwerdekaten der unabhängigen Beschwerdestelle fürs Alter. Rund 60% der Beschwerden wurden von Angehörigen gemacht. Deshalb sind sie der Frage nachgegangen, wie die Zusammenarbeit mit Angehörigen bei stationären Altersinstitutionen heute gestaltet wird und wie sie noch verbessert werden könnte.

Dank von höchster Stelle

Regierungspräsident Mario Fehr macht noch einmal deutlich, warum es den Tag der betreuenden Angehörigen braucht. Er dankt all denen, die diese wichtige, aber auch anspruchsvolle Arbeit leisten. Und fordert die Betreuenden gleichzeitig auf, auch für Verbesserungen einzustehen und Forderungen zu formulieren. Der Kanton Zürich versucht mit verschiedenen kleineren Reformvorhaben die Situation für ältere Menschen und ihre Angehörigen zu verbessern.

Schriftliche Befragung von Kundinnen und Kunden

Mit einer schriftlichen Befragung von Kundinnen und Kunden hat die Forschungsstelle SoToMo spannende Wirkungsdimensionen der vom Entlastungsdienst geleisteten in den psychosozialen Handlungsfelder der Betreuung aufzeigen können. Die positive präventive Wirkung konnte eindrücklich belegt werden. An der Tagung wurden erste Resultate von Projektleiter Elia Heer exklusiv präsentiert, die Detailresultate werden anfangs 2024 publiziert.

Engagiertes Plädoyer und angeregte Podiumsdebatte

PD Dr. Albert Wettstein war lange Zeit Stadtarzt in der Stadt Zürich, Präsident der unabhängigen Beschwerdestelle im Alter sowie Dozent am Institut für Gerontologie der Universität Zürich. Diese geballte Ladung an Erfahrung und Wissen bringt er in sein Plädoyer ein. Er startet mit einem Blick in die Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums OBSAN, das prognostiziert, dass bis 2040 mehr als 900 Heime gebaut werden müssten, wenn man die Unterstützung der älteren Menschen nicht anpasst. Er wirft auch einen Blick auf die hohen Neuroleptika-Verschreibungen bei älteren Personen in der Schweiz. Und zeichnet dann ein alternatives Bild: Statt unnötigen Heimen und Medikamenten sollten wir auf mehr soziale Betreuung setzen. Diese muss von Fachpersonen und Freiwilligen gemeinsam erbracht werden, für alle zugänglich sein und eigenständig gedacht werden –neben der Pflege und der (Haushalts-)Hilfe.

Das Plädoyer ist ein Steilpass für das anschliessende Podium. Albert Wettstein vertieft sein Votum unter der Moderation von Urs Leuthard zusammen mit Nationalrätin und ehemaligen Professorin für Sozialarbeit Katharina Prelicz-Huber, mit Karin Stadelmann, Kantonsrätin Luzern und Dozentin an der HSLU, mit Riccardo Pardini, Forschender im Bereich Betreuung im Alter an der Berner Fachhochschule sowie mit Stefanie Becker als Direktorin von Alzheimer Schweiz und mit Peter C. Meyer, ehem. Professor und Direktor des Deparatements Gesundheit an der ZHAW und heutiges Vorstandsmitglied des Vereins Zürcher Seniorinnen und Senioren.

Die Diskussion und die gesamte Tagung machen deutlich: Gute psychosoziale und fachlich abgestützte Betreuung im Alter muss ein Teil des Service public in der Schweiz werden – zugänglich, professionell, alltagsnah und für alle finanzierbar.