Live-Talk III April 2021
Was ist gute Betreuung im Alter konkret – und wie wird sie möglich?
Darüber diskutierten Prof. em. Dr. Lorenz Imhof, Hannes Koch, CEO der Spitex Kriens, Prof. Dr. Carlo Knöpfel (FHNW), Franziska Reinhard vom Bürgerspital Basel und Karin Stadelmann, Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern. Das Gespräch moderierte Sonja Hasler.
«Betreuung ist ein zentraler, eigenständiger Pfeiler in der Unterstützung von Menschen im Alter. Noch immer wird der Begriff aber unklar verwendet. Für die weitere fachliche und politische Diskussion – und vor allem aber auch für alle Betroffenen – ist es dringend notwendig, zu konkretisieren, was darunter zu verstehen ist.» So formulierte Maja Nagel Dettling, Stiftungsrätin der Paul Schiller Stiftung, eingangs der Veranstaltung das Anliegen. Das veröffentlichte Impulspapier und der Live-Talk sind ein weiterer Beitrag, dieses Ziel zu erreichen.
Impulspapier Nr. 1:
«Handlungsfelder der guten Betreuung im Alter: Betreuungsleistungen und Präventionswirkung»
Das Papier benennt erstmals eine Auswahl an alltagsnahen Betreuungsleistungen und stellt sie in Zusammenhang mit dem präventiven Nutzen, der damit einher geht. Es versteht sich als Anregung zum Weiterdenken, als Inspiration zum Dialog oder für die Entwicklung von Betreuungskonzepten und als Argumentationsgrundlage für Verhandlungen zu deren Finanzierung. Zudem soll es dazu beitragen, gute Betreuung fachlich breiter zu etablieren, ihren Stellenwert zu erhöhen und die Qualität zu stärken.
In der Diskussion waren sich alle einig: Betreuung im Alter ist existenziell und heute durch die Pflege nicht gedeckt. Deshalb will Prof. Dr. Carlo Knöpfel zwischen Betreuung und Pflege unterscheiden. Er sieht in der Differenzierung dieser beiden Unterstützungsformen eine Möglichkeit zu zeigen, welche Betreuungs- und Pflege-Leistungen ältere Menschen in ihrem Alltag tatsächlich benötigen. Im Fragilisierungsprozess setze die Betreuungsbedürftigkeit oftmals vor der Pflegebedürftigkeit ein. Umso wichtiger sei es, dass Betagte in diesem Abschnitt Zugang zu Betreuung haben, so können teure und unnötige Eintritte ins Pflegeheim verhindert werden. Für Prof. em. Dr. Lorenz Imhof ist entscheidend, dass die Kooperation der verschiedenen Berufsbilder verbessert wird. Sowohl Betreuung als auch Pflege werde damit besser – und sogar günstiger. Im Gegensatz zu Knöpfel ist Imhof der Auffassung, dass es keine Betreuung ohne Pflege gäbe, denn diese Unterscheidung sei nicht der Praxis, sondern nur dem Finanzierungsmodell geschuldet.
«Nur wenn verschiedene Fachpersonen in Betreuung und Pflege involviert sind und im Austausch stehen, gelingt es, die unterschiedlichen Bedürfnisse der betreuten Personen erst einmal zu erfassen und dann zu formulieren.»Karin Stadelmann, Projektleiterin und Dozentin, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Dies stellt auch Hannes Koch von der Spitex Kriens fest: «Viele Betagte benötigen keine Pflege – hingegen sind viele auf Betreuung angewiesen.» Knöpfel ergänzt: «20 Prozent der Rentnerinnen- und Rentner-Haushalte müssen mit durchschnittlich 4000 Franken pro Monat durchkommen. Mit einem solchem Budget kann man sich keine Betreuung leisten. So betreiben wir eine Art Zwei-Klassen-Alterspolitik.»
Darum ist es auch für Franziska Reinhard vom Bürgerspital essenziell, Betreuung separat auszuweisen, ihr einen Preis zuzuweisen. Nur so liesse sich aufzeigen, wie gross der Bedarf nach Betreuung sei. Gleichzeitig mahnte sie: «Für mich ist das A und O das Miteinander von Pflege und Betreuung. Der vermehrte Einsatz von FaBe hätte grosses Potential, wenn die Ausbildung entsprechend angepasst würde.»
«Für mich ist nicht entscheidend, wie die Unterstützung benannt wird, sondern dass sie erbracht wird. Vor allem aber auch, dass die betreuerische Haltung in der Pflege wieder möglich wird.», betont Lorenz Imhof. Zudem sei wichtig, dass ausreichend Zeit zur Verfügung stehe und die Leistung entsprechend vergütet werde.
So sieht es auch Karin Stadelmann von der Hochschule Luzern: «Nur wenn Fachpersonen mit unterschiedlichen Kompetenzen in Betreuung und Pflege involviert sind und im Austausch stehen, gelingt es, die unterschiedlichen Bedürfnisse der betreuten Personen zu erfassen und zu formulieren.»