Interview

«Diese Fachpersonen wissen um die Ressourcen betagter Menschen»

Fachmänner und Fachfrauen Betreuung für Menschen im Alter (FaBe MiA) haben sich mit ihrer Ausbildung auf die besonderen Bedürfnisse und Wünsche von Menschen im Alter spezialisiert. Nun will die Organisation der Arbeitswelt Soziales Zürich (OdA) zusammen mit den OdA Soziales beider Basel, Bern, Zentralschweiz sowie Curaviva Schweiz/Artiset die Verantwortlichen im Betagtenbereich dazu ermutigen, vermehrt soziale Berufe in ihre Teams zu integrieren. Mit einem Flyer zeigt sie auf, was FaBe MiA alles können und weshalb sie für Pflegeteams ein Gewinn sind.

20.04.2022

Von Liliane Ryser (OdA-Geschäftsleiterin in Zürich) wollten wir wissen, wie sich der Einsatz von FaBe MiA auf die Qualität der Betreuung älterer Menschen auswirkt und wie deren Ausbildung mit unserem Finanzierungsmodell «Betreuungsgeld für Betreuungszeit» zusammenhängt.

Was kann von einer FaBe an vertieften Kompetenzen für die Betreuung älterer Menschen erwartet werden?

Wir Menschen werden immer älter. Damit wächst auch der Bedarf an Fachpersonen in der Begleitung und Betreuung älterer Menschen. Mit der Ausrichtung auf Teilhabe und Selbstbestimmung deckt der Beruf FaBe MiA diesen Umstand besonders gut ab. FaBe MiA eignen sich ein weitreichendes psychosoziales Fachwissen an. Mehr noch: Sie bieten auch Unterstützung in der emotionalen sowie psychischen Stabilität ihrer betreuten Personen und wissen um die Ressourcen betagter Menschen. Gerade bei demenziellen Entwicklungen sind diese Fähigkeiten eine wichtige Basis für eine gute Begleitung. Wichtige Themen wie Kommunikation, Beziehungsgestaltung, Reflexion und Konfliktfähigkeit sind Handlungskompetenzen, welche FaBe MiA während ihrer ganzen Ausbildung kontinuierlich begleiten.

Sie wollen Betriebe ermutigen, vermehrt auf soziale Berufe wie FaBe MiA zu setzen. Was zeichnet diese aus?

FaBe MiA haben sich bewusst für die Betreuung dieser Altersspanne entschieden. Dadurch bringen sie neben vertieften Kompetenzen in psychosozialer Betreuung einen speziellen «gerontologischen Blickwinkel» ins Teamgeschehen ein. Sie bilden somit eine optimale Ergänzung in einem interdisziplinären Team, das eine ganzheitliche Pflege und Betreuung gewährleisten kann. Sie sind sich der Diversität und Komplexität dieses Lebensabschnittes sehr bewusst.

Was muss getan werden, dass die FaBe einen grösseren beruflichen Stellenwert erhalten?

Immer mehr Institutionen erkennen, dass die Grenzen zwischen betreuerischen und pflegerischen Tätigkeiten fliessend sind. Tatsächlich bedarf es einer ganzheitlichen und zugleich spezialisierten Sicht auf die Tätigkeiten Betreuung und Pflege. Beide muss man als zusammengehörende Elemente in der Lebenswelt von Menschen im Alter verstehen. Institutionen können dies unterstützen, indem sie ihre Kultur des gegenseitigen Lernens und Lehrens fördern. Andererseits setzen wir uns bei Entscheidungsträgerinnen und -trägern von Institutionen für ein geschärftes Verständnis des Berufsprofils ein, damit die FaBe MiA gemäss ihren Kompetenzen eingesetzt werden. Während der Ausbildung sind genügend personelle und auch finanzielle Ressourcen an allen Lernorten wichtig.

Was ändert sich für ältere Menschen, wenn in einem Team FaBe MiA integriert werden?

Durch die Interdisziplinarität erhöht sich die Betreuungs- und Pflegequalität. Durch ein umfassendes Verständnis von Betreuung und Pflege wird die Lebensqualität der betreuten Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit mit biologischen und psychosozialen Aspekten betrachtet. Wir stellen fest, dass Bedürfnisse wie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Selbstbestimmung, Selbständigkeit und somit Selbstwirksamkeit für die Menschen im Alter vermehrt im Fokus stehen. FaBe MiA bringen dafür die entsprechenden Kompetenzen mit.

Wenn unser Finanzierungsmodell «Betreuungsgeld für Betreuungszeit» umgesetzt wird, braucht es auch Personen, welche die Kompetenzen für eine gute Betreuung der älteren Menschen mitbringen. Was muss geschehen, damit wir neben der Finanzierung auch das Angebot sichern können?

Nicht zuletzt aufgrund der Arbeiten der Paul Schiller Stiftung wird der Wert von guter Betreuung im Alter und dessen präventive Wirkung erkannt. Damit neben der Betreuung im familiären Umfeld auch genügend ausgebildete Fachkräfte für die professionelle Betreuung zur Verfügung stehen, bedarf es Anstrengungen im Bereich des Erhalts von Personal, aber auch intensivierter Ausbildungsbemühungen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es entscheidend, alle möglichen Berufsgruppen zu adressieren. Dies schliesst neben weiteren Berufen im Sozialbereich auch die Ausbildung von Fachpersonen Betreuung mit ein, bei denen die psychosozialen Aspekte einen zentralen Stellenwert einnehmen.

Zur Person

Liliane Ryser, 57, ist Geschäftsleiterin der OdA Soziales Zürich, dem Branchenverband für Berufsbildung im Sozialbereich des Kantons Zürich. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeiten bei den Stadtzürcher Alterszentren und der Alzheimervereinigung Schweiz ist ihr eine gute Betreuung im Alter ein grosses Anliegen.