Praxis
Sozialreferentinnen – das Bindeglied zwischen Mieter:innen und Netzwerk
Die Sozialreferentinnen des Vereins Althys spielen eine Schlüsselrolle für den einwandfreien Betrieb von betreuten Unterkünften. Das zeigt die Résidence Oassis in Crissier (VD). Sie sind weit mehr als eine Präsenz vor Ort: Sie fördern den sozialen Zusammenhalt und begleiten die oft betagten Mieter:innen in ihrem Alltag.

Modern, hell und funktional: Der Ort vermittelt Ruhe und Sicherheit. Der Verein Althys verwaltet Wohnungen, die für das Wohlbefinden und die Mobilität von Senior:innen und Menschen mit Unterstützungsbedarf gedacht sind. Den Mieter:innen stehen zwei grosse Gemeinschaftsräume mit Freizeiteinrichtungen und Sicht auf einen Innenhof mit Bäumen zur Verfügung. Zudem profitieren sie von zahlreichen Dienstleistungen in der Nähe. Dazu gehören unter anderem ein Gesundheitshaus und verschiedene Läden. In einem der Gemeinschaftsräume nimmt eine Gruppe von etwa zwölf Mieter:innen an einer Gymnastikstunde teil. Eine Sozialreferentin leitet die Teilnehmenden mit Begeisterung an und nimmt sie zum Abschluss mit auf eine kleine Joggingrunde an der frischen Luft. Die Mieter:innen können frei entscheiden, ob sie an den täglichen Aktivitäten teilnehmen wollen. Eine Anmeldung braucht es nicht. Althys verwaltet rund 30 Residenzen mit über 1500 Mieter:innen hauptsächlich im Kanton Waadt, aber auch in Neuenburg und Freiburg.
Altersgerechte Wohnungen mit Begleitung, sogenannte LADA (logements adaptés avec accompagnement), sind unabhängige Wohnungen, die dank einer Vereinbarung von der Generaldirektion für sozialen Zusammenhalt (DGCS) des Kantons Waadt offiziell anerkannt sind. Sie sollen Senior:innen oder Menschen mit Behinderung so lange wie möglich ein Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Barrierefreiheit, Sicherheit der Mieter:innen, Alarm- und Hilferufsysteme, bezahlbare Miete und Gemeinschaftsräume zur Pflege der sozialen Beziehungen: Diese Wohnform bietet zahlreiche sozialmedizinische Leistungen an. «Sie richten sich an alle Personen mit einer AHV- oder IV-Rente», so Myriam Tellenbach, operative Leiterin Althys. Wer in eine altersgerechte Wohnung mit Begleitung einziehen will, muss selbstständig sein. Das ist eine wichtige Voraussetzung, denn in der Nacht und am Wochenende ist die Betreuung nicht sichergestellt.»
Ein aufstrebender Beruf
Die Residenz Oassis stützt sich auf zwei Sozialreferentinnen und einen Lernenden, um die Mieter:innen in einem Umfeld zu begleiten, in dem Autonomie grossgeschrieben wird. Das Team gewährleistet eine personenzentrierte Betreuung, organisiert gemeinschaftliche Aktivitäten und bietet wertvolle Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen, die neue digitale Tools mit sich bringen. «Der Beruf ist in voller Entwicklung», erklärt Myriam Tellenbach. «Manche Sozialreferentinnen haben eine Grundausbildung als Fachperson Betreuung, andere verfügen über ein FH- oder HF-Diplom oder sogar einen Master in Soziologie. Ihre Profile sind ganz unterschiedlich.» Valérie Hugentobler, Professorin an der Haute école de travail social et de la santé Lausanne (HETSL), bestätigt, dass die Sozialreferentinnen* eine neue Berufsgruppe in der Betreuung von Menschen im Alter verkörpern. Die Forscherin interessiert sich seit mehreren Jahren für Fragen des Wohnens in den späten Lebensjahren. Zurzeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt, das vom Schweizer Nationalfonds (SNF) finanziert wird. Ihr Team hat verschiedene Einrichtungen befragt, die Sozialreferentinnen beschäftigen, und dabei festgestellt, dass sie ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe haben. «Es existiert noch keine spezifische Ausbildung, es ist kein anerkannter Beruf», bestätigt die Professorin der HETSL. «Dennoch verfügen 80 Prozent über Berufserfahrung mit Menschen im Alter, weil sie entweder in einem Pflegeheim oder in Spitex-Organisationen gearbeitet haben. Je nach Arbeitgeber und Kanton sind jedoch Unterschiede festzustellen.»
Vielfältige Kompetenzen
Obwohl noch keine standardisierte Ausbildung existiert, ist für Valérie Hugentobler klar: Dieser Beruf erfordert vielfältige Kompetenzen. Dieser Meinung ist auch Myriam Tellenbach: «Gute Organisationsfähigkeiten und Aufgeschlossenheit sind ein Muss.» Sozialreferentinnen haben vielfältige Aufgaben: In erster Linie müssen sie über eine systemische Übersicht über das Gebäude verfügen und auf die An- und Abwesenheiten der Mieter:innen achten. Neben monatlichen Themenabenden bieten sie auch Animationen in der häuslichen Umgebung an, so etwa in den Bereichen Gedächtnis, Motorik und Prävention. Daneben organisieren Sozialreferentinnen Aktivitäten für das ganze Quartier – wie Pétanque-Turniere, Jassgruppen oder einen jährlichen Flohmarkt – und fördern so den Kontakt zu den Mitmenschen. Da die Anmeldung oft über einen QR-Code erfolgt, unterstützen sie die Mieter:innen bei der Nutzung digitaler Tools.
Sozialreferentinnen spielen auch beim Einzug neuer Mieter:innen eine wichtige Rolle. In einem Erstgespräch ermitteln sie die Bedürfnisse, fragen nach den gewünschten Aktivitäten und legen die Kontaktmodalitäten fest. Dürfen die Sozialreferentinnen in die Wohnung kommen? Oder sollen sie lieber anrufen? «Nicht wir haben die Kontrolle. Die Mieter:innen entscheiden, was sie wollen», erläutert die operative Leiterin. «Jeden Monat beurteilen die Sozialreferentinnen die Bedürfnisse der Mieter:innen neu und nehmen wenn nötig Anpassungen vor.» Beim Erstgespräch wird auch das Thema Sicherheit angesprochen, zum Beispiel im Falle eines Sturzes. Dank einem Notrufsystem können anwesende Sozialreferentinnen reagieren, bevor sie Angehörige oder die Notrufzentrale kontaktieren. Altersgerechte Wohnungen mit Begleitung ermöglichen eine äusserst reaktive Betreuung der Mieter:innen, unter anderem bei der Rückkehr nach einem Spitalaufenthalt. «Tagsüber können sie ein Notrufgerät auf sich tragen, sodass die Sozialreferentinnen wenn nötig schnell zur Stelle sind. Je nach dem, für welches System man sich beim Erstgespräch entscheidet, wird ein Schlüsselkasten montiert, um den Zugang zur Wohnung zu ermöglichen.»
Die Mieter:innen geniessen ein hohes Mass an Autonomie. Diese Unabhängigkeit bedeutet jedoch nicht, dass die Sozialreferentinnen keine Herausforderungen zu bewältigen haben. Manchmal müssen sie Erste Hilfe für psychische Gesundheit leisten. Und sie sind auch nicht immer ausreichend geschult, um bestimmte heikle Situationen wie Hygienefragen gewisser Mieter:innen anzusprechen. Um mit solchen Situationen umgehen zu können, findet jeden Monat ein Treffen statt. Dabei können sich die Sozialreferentinnen über Problematiken auszutauschen, mit denen sie konfrontiert sind. «Wir sind sehr lösungsorientiert», betont Myriam Tellenbach. Parallel dazu bietet der Kanton Waadt spezifische Schulungen an, was ihn zu einem Vorreiter in diesem Bereich macht. «Diese zweimal jährlich stattfindenden Treffen sind für die Fachkräfte wertvoll, denn sie sind oft allein in ihrer Funktion», ergänzt Valérie Hugentobler.
Obwohl sich der Beruf der Sozialreferentinnen bislang vor allem in Strukturen wie altersgerechten Wohnungen mit Begleitung entwickelt, ist er doch ein aufstrebender Beruf. Die Forschungsarbeiten des Teams rund um Valérie Hugentobler beleuchten die vielfältigen Profile und Praktiken und ebnen den Weg für Überlegungen zur Schaffung einer spezifischen Ausbildung. In einem Kontext, in dem die alternde Bevölkerung und die Autonomie von Senior:innen zu grossen Herausforderungen werden, könnte sich dieser Beruf durchaus dauerhaft in der Landschaft der Begleitungsdienste etablieren und zu mehr Strukturierung und Professionalisierung beitragen.
*Wie die Untersuchungen von Valérie Hugentobler zeigen, sind hauptsächlich Frauen als Sozialreferentinnen tätig. Deshalb wurde in diesem Artikel die weibliche Form verwendet.
Quelle: Artikel aus dem Themenheft «Koordinierte Betreuung» in redaktioneller Zusammenarbeit der Paul Schiller Stiftung mit Artiset/Curaviva, Pro Senectute Schweiz, Alzheimer Schweiz, Gerontologie CH, Entlastungsdienst Schweiz, Schweizerisches Rotes Kreuz, senesuisse und der Spitex Schweiz (Dezember 2024).