Ein Tag im Leben der mobilen Altersarbeit Aarau

«Um 8.15 Uhr treffe ich im Gemeinschaftszentrum im Aarauer Telli-Quartier ein. Beim Eingang zum Einkaufszentrum stelle ich den Informationstisch mit den Flyern so hin, dass dieser gut sichtbar, aber niemandem im Weg ist. Auf einem Plakat daneben ist zu lesen, was die mobile Altersarbeit Aarau MoA bietet.

Es gibt drei Möglichkeiten, wie ein Kontakt entsteht: Entweder sieht mich jemand beim Vorbeigehen und wir beginnen ein Gespräch. Andere kommen auf mich zu und sagen: «Ich bin schon so oft an Ihnen vorbeigegangen. Jetzt wollte ich wissen, was Sie eigentlich genau machen.» Oder die Menschen sprechen mich direkt an: «Ich habe eine konkrete Frage…» Dauern die Gespräche länger, gehen wir in einen Raum im Gemeinschaftszentrum nebenan. Dort beginnt die Informations- und Beratungsarbeit, mit dem Ziel, das passende Angebot zu vermitteln und Kontakte herzustellen.

Die mobile oder auch aufsuchende Altersarbeit ist ein niederschwelliges, kostenloses Angebot. Die Menschen sollen wissen, wenn sie etwas brauchen, können sie zu uns kommen. Jeweils am Donnerstagvormittag sind wir im Quartier vor Ort und gut erreichbar. Es ist auch möglich, mich anzurufen oder mit mir einen Termin zu vereinbaren. Wenn jemand nicht mehr mobil ist, mache ich einen Hausbesuch.

Gleich zu Beginn des Pilotprojekts im Juni 2021 hat mir eine junge Frau erklärt, dass sie sich gerne für ältere Menschen engagieren würde. Sie lebt im Quartier und ist hier sehr gut verankert. Heute arbeitet Seda Isildar im Auftrag von Heks AltuM (Alter und Migration) mit mir im Quartier, um unser Angebot bekannter zu machen und um die Migrationsbevölkerung besser zu erreichen.

Meine Arbeit ist unberechenbar: Manchmal kommt niemand vorbei, und dann kommen mehrere Personen fast gleichzeitig. Ich bin sehr froh, arbeite ich nicht allein. Bei den Gesprächen geht es primär darum, den Menschen zuzuhören.

Eine 82-jährige Frau erzählt von ihren Rückenproblemen, dass sie jemanden brauche, der alle zwei Wochen putzen kommt, jedoch nicht wisse, an wen sie sich wenden soll und ob sie sich eine solche Hilfe überhaupt leisten könne. Ich habe sie an Pro Senectute vermittelt. Mein Auftrag ist nicht, selber ein Angebot aufzubauen, sondern an bestehende Institutionen zu vermitteln. In diesem Fall konnte ich ihr aufzeigen, was Pro Senectute bietet und wie sie vorgeht – auch bezüglich der finanziellen Abklärung.

Etliche haben Mühe, Unterstützung anzunehmen. Nur schon jemandem zu sagen: «Ich brauche Hilfe», kostet sie Überwindung. Oder sie befürchten, sie können sich die Hilfe nicht leisten. Für viele ist die zunehmend digitalisierte Welt ein Dschungel, in dem sie sich nicht zurechtfinden. Für sie bin ich eine Übersetzerin und Vermittlerin.

Ein Gespräch kann eine Stunde oder länger dauern. Es ist ein grosses Privileg diese Zeit zur Verfügung zu haben. Viele sagen nachher, es habe gutgetan, dass jemand zuhört. Es sei gut zu wissen, dass es eine solche Stelle gibt und sie wiederkommen können. In der Regel kommen die Leute zwischen ein bis drei Mal zu einer Beratung. Zum Schluss des Gesprächs mach ich jeweils eine Auslegeordnung und wir schauen, wie es weitergehen könnte.

Ein Mann erklärte mir, er stehe vor der Entscheidung, ob er seinen Führerausweis abgeben soll. Er brauchte ein Gegenüber, das spiegeln kann, was er sagt und denkt, ohne selber emotional beteiligt zu sein, und das mit ihm zusammen eine Analyse macht. Als er nach einer Dreiviertelstunde ging, blieb offen, was er tun würde. Bei mir muss man sich nicht verpflichten oder einen weiteren Termin abmachen. Übrigens: Wochen später hat mir der Mann erzählt, er habe den Führerausweis jetzt abgegeben. Das stimme jetzt so für ihn.

Natürlich gibt es Fälle, bei denen ich nicht weiterhelfen kann. Beispielsweise haben mich zwei hochaltrige, einsame Frauen angerufen. Für sie gab es nichts Passendes. Da zeigen sich die Lücken im Angebot, gerade für hochaltrige, in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen, die noch nicht in ein Pflegeheim müssten. Lösungen könnten ein niederschwelliger Fahrdienst und Tagesaktivitäten wie in einem Pflegeheim für Menschen zu Hause sein.

Auch im Quartier Gönhard haben wir versucht, wöchentlich präsent zu sein. Aber im Einfamilienhausquartier mit grossen Gärten, anderen sozialen Schichten und ohne eigentliches Quartierzentrum ist es deutlich schwieriger, Kontakte zu knüpfen.

Am Nachmittag schreibe ich von zu Hause Berichte und Einladungen zu Quartieranlässe, führe Telefongespräche mit anderen Organisationen und trage Informationen zusammen, um den Personen aus den Beratungsgesprächen Rückmeldung geben zu können, wie es weitergehen könnte. Ich nutze die Zeit auch für Netzwerkarbeit: Im Austausch mit anderen Organisationen erfahre ich mehr über deren Angebote und über mögliche Gemeinsamkeiten oder Synergien.

Gemeinsam mit dem Fachbereich Alter der Stadt Aarau versuche ich, die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren besser zu koordinieren. So stellen wir sicher, dass die Informationen aus den Quartieren möglichst direkt zur Fachbereichsleitung gelangen und von da zur städtischen Exekutive: Wo sind Lücken und was kann man verbessern? Die Exekutive hat sich mit dem Altersleitbild dafür ausgesprochen, genau hinzuhören, was die Menschen bewegt, wie ihre Bedürfnisse sind und wie passende Lösungen gefunden werden können.

Mit der mobilen Altersarbeit will die Stadt Aarau dazu beitragen, dass die Menschen länger zu Hause in ihrem Quartier wohnen können. Sie sollen bei Bedarf passende und unkomplizierte Unterstützung und Hilfestellungen im Alltag erhalten und im Quartier gut vernetzt sein. Denn mit zunehmendem Alter verkleinert sich der Aktionsradius und das Quartier wird als nahes Lebensumfeld ganz zentral.

Die ersten Erfahrungen bestätigen, wie wichtig und hilfreich für alle Beteiligten es ist, zu den Menschen hinzugehen, hinzuschauen und hinzuhören. Und zwar in jedem einzelnen Quartier, aber auch individuell zu den Menschen hin.»

Kathrin Fachinger, Projektumsetzung und -entwicklung der mobilen Altersarbeit Aarau MoA, das am Programm Socius2 der Age-Stiftung teilnimmt.

Die mobile Altersarbeit Aarau MoA auf der Website der Stadt Aarau