Die Spitex, die auch betreut

In der Regel kümmert sich die Spitex in der Schweiz in erster Linie um die Grund- und Behandlungspflege: Dabei kommt die psychosoziale Betreuung zu kurz. Die Spitex im aargauischen Kaiseraugst geht seit 2016 einen anderen Weg

Fast alle, die im Kontext der Spitex arbeiten, können ein Lied davon singen: Kaum ausgerückt, läuft die Uhr und die Kilometer werden gezählt. Bei der Klientin dem Klienten angekommen, liegt der Fokus eindeutig auf dem körperlichen Wohlbefinden. Psychosoziale Aspekte, und damit die Betreuung, kommt sehr oft zu kurz. Denn Betreuung darf den Leistungsträgern nicht verrechnet werden. In dieser unbefriedigenden Situation war auch die Spitex in Kaiseraugst, wie die Leiterin der Pflege und Betreuung, Christin Kieslich, sagt.

Oft ist es so, dass die Spitex die pflegerischen Leistungen vornimmt, der Auftrag damit aus versicherungsrechtlicher Sicht erledigt ist– und trotzdem bleibt da vor allem bei den Pflegenden das Gefühl, entsprechend des individuellen Klientenbedarfs zu wenig getan zu haben. Insbesondere für die Mitarbeitenden ist diese Situation unbefriedigend, wie Kieslich erklärt. Sich mit der Stoppuhr um Menschen zu kümmern, sei ein Widerspruch in sich. «Aber auch als Verein müssen wir unsere Kosten im Griff haben.» Die Spitex dürfe die zusätzliche Zeit, welche die Betreuung in Anspruch nimmt, den Leistungsträgern nicht in Rechnung stellen. Denn als Spitex werden sie ausschliesslich für die medizinisch indizierte Pflege vergütet.

Wenn die Pflegenden die Sorgen und Nöte der Klienten und Klientinnen anhören, dann verrichten sie bereits Betreuungsarbeit.

Um dem Bedarf nach Betreuung abdecken zu können, lancierte die Spitex Kaiseraugst 2016 das «Angebot Betreuung». Dieses Angebot – das Dienstleistungen wie die Unterstützung bei Tagesaktivitäten, beispielsweise gemeinsames Kochen und Essen, Unterstützung beim Nachgehen von Hobbies, Coiffeurbesuchen aber auch Beistand in Krisen und in der letzten Lebensphase – beinhaltet, kann man separat in Anspruch nehmen. Im Gegensatz zu den medizinisch indizierten Leistungen werden diese Betreuungsleistungen von den Klienten aus dem eigenen Portemonnaie finanziert.

In Kaiseraugst übernimmt die Gemeinde auf entsprechenden Antrag einen Teil der Kosten (bei einem Einkommen bis 60’000 Franken, werden 60 Prozent der Kosten subventioniert). Konkret muss die betreute Person dann noch 18 der 45 Franken für eine Betreuungsstunde selbst bezahlen. Für die Gemeinde sei dieses Modell attraktiv, da die Personen in der Regel später in ein Pflegeheim wechseln würden, was oft Kosten für die Gemeinde spart. Oft sei es aber leider so, dass genau diejenigen mit wenig Einkommen die Betreuung nicht in Anspruch nehmen würden, wie Kieslich beobachtet. Denn bei kleinem Budget muss jeder Rappen umgedreht werden.

Der grosse Vorteil ist, dass die meisten Klienten und Klientinnen schon einen Bezug zur Spitex Kaiseraugst haben. Damit sei die Schwelle oft tiefer, auch Betreuung in Anspruch zu nehmen, wie Christin Kieslich ausführt.