Das Liechtensteiner Modell: Betreuungs- und Pflegegeld für alle
Im Fürstentum Liechtenstein erhalten ältere Menschen finanzielle Unterstützung, damit sie ihren Bedarf an Pflege- und Betreuungsleistungen finanzieren können. Erstaunlich ist vor allem die kurze Frist von der Meldung bis zum Unterstützungsentscheid.

Das Fürstentum Liechtenstein führte 2010 ein Betreuungs- und Pflegegeld für die häusliche Betreuung und Pflege ein. Ziel ist, im ambulanten Bereich eine gleichwertige Unterstützung wie in stationären Einrichtungen zu erreichen (deklarierter Grundsatz ist «ambulant vor stationär»). Anspruch auf Betreuungs- und Pflegegeld haben alle Bewohnerinnen und Bewohner Liechtensteins, unabhängig von ihrem Alter und ihrer finanziellen Situation. Voraussetzungen sind, dass ein länger als drei Monate dauernder gesundheitsbedingter Betreuungs- und Pflegebedarf besteht, erhebliche Dritthilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen benötigt wird und dafür Kosten entstehen.
Der Betreuungs- und Pflegebedarf muss ärztlich bestätigt sein. Übernommen werden Leistungen, die alle drei Unterstützungsformen im Alter abdecken: Pflege, Betreuung und Hilfe. In einer Erstabklärung und jährlichen Revisionen übernimmt die Fachstelle für häusliche Betreuung & Pflege die Abklärung der Verhältnisse vor Ort. Anhand eines Leistungskatalogs mit rund 200 Positionen inklusive definiertem Zeitaufwand wird der durchschnittliche Zeitaufwand pro Tag festgelegt. Er bildet die Grundlage für die Einteilung in eine von sechs Stufen: Bei der tiefsten Stufe (Bedarf über eine Stunde pro Tag) ergibt sich ein Betrag von 10 Franken pro Tag, bei der höchsten (Bedarf über 7,5 Stunden) 180 Franken pro Tag.
Geld für professionelle Dienste oder private Angestellte
Auf der Basis der Abklärung und in Absprache mit der Klientin bzw. dem Klienten erstellt die Fachstelle einen Bericht – das Betreuungs- und Pflegekonzept mit den konkreten Massnahmen. Sie unterbreitet diesen Bericht der Liechtensteinischen AHV-IV-FAK*, die über die Gewährung der Leistungen entscheidet (*FAK steht für Familienausgleichskasse).
Den Ablauf schilderte Elisabeth Kaltenbrunner, Leiterin der Fachstelle häusliche Betreuung und Pflege in Liechtenstein, im Live-Talk im November 2021: «Meistens dauert die ganze Abklärung rund einen Monat, von der Meldung bis zum Hausbesuch und dann dem Auslösen der Zahlungen.» Ein beeindruckend rascher Prozess!
Geld für professionelle Dienste oder private Angestellte
Die Leistungsbeziehenden können anerkannte professionelle Dienste in Anspruch nehmen (z. B. Spitex, Familienhilfe, anerkannte Selbstständigerwerbende) oder Löhne für private Angestellte abrechnen, zum Beispiel für Angehörige oder Care-Migrantinnen und -Migranten. Das Betreuungs- und Pflegegeld ist zweckgebunden, finanziert werden ausschliesslich zu Hause erbrachte Leistungen.
Jährlich nimmt die Fachstelle eine definitive Abrechnung vor. Sie prüft dabei sowohl die Kosten als auch, ob die Unterstützung fachgerecht erbracht wurde. Bestehen Zweifel bezüglich der Qualität, werden regelmässige Spitex-Besuche zur Kontrolle und Beratung vorgesehen.
Finanzierung durch öffentliche Hand
Finanziert wird die Leistung von der öffentlichen Hand, je hälftig von Land und Gemeinde. Den Bezügerinnen und Bezügern bezahlt die Liechtensteinische AHV-IV-FAK monatliche Vorschusszahlungen. Es handelt sich also um eine Subjektfinanzierung. Ergänzend dazu bezahlen Land und Gemeinden den beiden grössten Anbietern (Familienhilfe Liechtenstein und Lebenshilfe Balzers) analog zur Spitex einen Beitrag pro erbrachte Stunde. Das führt zu reduzierten Preisen.