Politik
Neue Zahlen des Bundesamtes für Statistik: Langzeitvergleich zeigt gesellschaftlichen Wandel in der Betreuung älterer Menschen
Beim Vergleich seiner zwei Statistiken zu den Alters- und Pflegeheimen und der Spitex von 2010 bis 2019 hat das Bundesamt für Statistik (BfS) mehrere spannende Entwicklungen festgestellt. Das BfS spricht von einem «gesellschaftlichen Wandel bei den Formen der Betreuung älterer Menschen» und betont, dass die Grenzen der Wohnformen verschwimmen. Allerdings zeigt sich, dass die Daten nicht alle Entwicklungen abbilden können – insbesondere in der Betreuung.
Auffallend ist insbesondere das Wachstum innerhalb von 10 Jahren bei den Leistungen zuhause. Die Anzahl Klientinnen und Klienten von Diensten der Hilfe und Pflege zuhause hat um 61% zugenommen. Auch die stationären Anbieter dringen in diesen Wachstumsmarkt vor und bieten immer häufiger auch ambulante Angebote an: 2019 verfügten bereits 14.4% aller Heime über ein Angebot für ältere Menschen zuhause.
Deutlich zeigt sich das Wachstum in der Hilfe und Pflege zuhause beim Anstieg des eingesetzten Personals: 2010 gab es noch 11.8 Vollzeitstellen für 1000 Personen ab 65 Jahren. 2019 waren dies 14.7 Vollzeitstellen. Das entspricht einer Erhöhung der sogenannten Angebotsdichte um einen Viertel.
Veränderungen in den Heimen
Bei den Heimen zeigt sich ein etwas anderer Trend. Obschon es mehr ältere Menschen gibt, hat die Anzahl Betten nicht im selben Mass zugenommen. Die Aufenthaltsdauer hat sich innerhalb der zehn Jahre um drei Monate verkürzt und lag 2019 noch bei 2.4 Jahren. Die Anzahl Institutionen ist konstant, auch wenn es mehrere Zusammenschlüsse zu grösseren Trägerschaften sowie Wechsel von öffentlicher zu privater Trägerschaft gegeben hat.
Ein starker Anstieg ist bei den Tages- und Nachtstrukturen zu beobachten. Diese werden erst seit 2017 erfasst. Bereits in dieser Zeit ist aber ein Anstieg um 26% zu beobachten.
Was sagen die Zahlen zur Betreuung älterer Menschen?
Aus Sicht der Betreuung älterer Menschen sind insbesondere folgende Entwicklungen interessant:
- Die Zunahme der Leistungen im ambulanten Bereich zeigt sich neben den Pflegeleistungen vor allem in der Kategorie «andere Leistungen». Während im Bericht nicht im Detail ausgeführt wird, was darunter genau zu verstehen ist, geben die erwähnten Stichworte «Bereitschaftsdienst, Unterstützung» einen Hinweis darauf, dass es sich hier durchaus um betreuerische Leistungen handeln könnte. Gleichzeitig sind die Anzahl Klientinnen und Klienten für Hilfe und Mahlzeitendienste über die 10 Jahre in etwa konstant. Hier wäre es wichtig, noch genauer zu wissen, welche Angebote neben der Pflege das Wachstum im ambulanten Bereich bewirkt haben.
- Die Aufenthaltsdauer in den Heimen hat abgenommen und das Durchschnittsalter beim Eintritt ist gestiegen. Da liegt die Vermutung nahe, dass ältere Menschen mit einem höheren Pflegebedarf als vor 10 Jahren in die Institutionen eintreten. Doch die durchschnittliche Pflegedauer pro Tag ist genau gleichgeblieben: 1 Stunde und 40 Minuten. Umso wichtiger ist die Frage, wie neben den pflegerischen Leistungen eine gute psychosoziale Betreuung dieser Menschen sichergestellt werden kann – auch in den Heimen.
Fazit: Trend der wohnformunabhängigen Unterstützung älterer Menschen und fehlende Daten
Der Langzeitvergleich der statistischen Zahlen zeigt: Die Betreuung älterer Menschen findet heute in verschiedensten Wohnformen statt und die Übergänge dazwischen werden immer fliessender. Viele Anbieter sind gleich in mehreren Wohnformen tätig. Dies gilt es auch in der Weiterentwicklung der Finanzierung der Angebote zu berücksichtigen – zum Beispiel bei der Einführung der Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen. Diese könnten eine Finanzierung der Betreuung für Menschen mit tiefen Einkommen und Vermögen sichern.
Ebenso macht die Auswertung deutlich, wo bei den Daten noch Lücken bestehen. Während die Pflegeleistungen erfasst sind, können wir zu den Betreuungsleistungen keine Aussagen machen. Wenn eine Restkategorie wie «andere Angebote» im ambulanten Bereich den deutlichsten Anstieg zeigt, ist das ein klares Zeichen, dass mit der aktuellen Datenstruktur nicht alle relevanten Entwicklungen abgebildet werden.
Weitere Informationen
BfS-Aktuell: Sozialmedizinische Betreuung älterer Menschen, 2010-2019