Politik
Nationalrat sagt Ja zu Betreuungsfinanzierung bei Ergänzungsleistungen
Der Nationalrat hat als Erstrat am 19. Dezember entschieden: Die Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen haben «Anspruch auf die Vergütung der Kosten für Leistungen zur Förderung und Erhaltung von Selbstbestimmung und Selbständigkeit im Alltag, der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe und der Vorbeugung von sozialer Isolation, Immobilität und psychischen Krisen».
Durch die neue Bestimmung im Ergänzungsleistungsgesetz können Beziehende in Zukunft Betreuungsleistungen über die EL finanzieren – mit einem Kostendach von bis zu rund 12'000.- pro Jahr. Mit 129 zu 59 Stimmen wurde die Vorlage in der Schlussabstimmung mit grossem Mehr angenommen. Ein erfreulicher Zwischenschritt in einer langen politischen Debatte.
Seit 2018 lag der Vorstoss auf dem Tisch. Mit einer Motion wurde die Finanzierung des betreuten Wohnens in den Ergänzungsleistungen gefordert. Die Botschaft des Bundesrates wurde im September 2024 präsentiert und im Dezember fand ein Anlass der parlamentarischen Gruppen Altersfragen und Pflege dazu statt. Kurz vor Weihnachten war es nun endlich so weit, dass der Nationalrat die Vorlage debattierte. Das Resultat ist sehr erfreulich.
Psychosoziale Ausrichtung aufgenommen
Im Zentrum der Debatte stand die Leistungsdefinition. Der Bundesrat schlug eine abschliessende Liste von vier Leistungen vor, welche finanziert werden sollen: ein Notrufsystem, Hilfe im Haushalt, Mahlzeitenangebote, Begleit- und Fahrdienste.
Diese Leistungen berücksichtigen jedoch die psychosoziale Ausrichtung einer guten Betreuung im Alter nicht. Entsprechend haben die Verbände und Organisationen, die zum Hearing der Kommission oder zu schriftlichen Stellungnahmen eingeladen waren, hier den Anpassungsbedarf betont. Die Kommissionsmehrheit liess sich überzeugen: Sie ergänzte die eingangs erwähnte zielorientierte Leistungsbeschreibung in der Vorlage.
Flexibles Pauschalen-Modell für die Kantone
Der Bundesrat hat ein Finanzierungssystem mit Pauschalen vorgesehen. So müssen die Beziehenden in bescheidenen finanziellen Verhältnissen die Leistungen nicht vorfinanzieren. Nicht nur wurden Anträge, dieses Pauschalsystem zu entfernen abgelehnt, der Nationalrat hat das System erfreulicherweise sogar etwas weiter flexibilisiert, was den Kantonen zusätzlichen Spielraum in der Umsetzung gibt: Es ist nicht zwingend für jede Kategorie eine Pauschale vorzusehen, sondern es kann beispielsweise auch über mehrere Kategorien hinweg eine bedarfsbasierte Pauschale gesprochen werden.
Ständerat kann nun Wirkung optimieren
Der Nationalrat ist damit seiner Kommissionsmehrheit gefolgt, hat eine psychosoziale Leistungsdefinition angenommen, die Lösung über Pauschalen mit flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten gesichert und die Vorlage zuhanden des Ständerats verabschiedet. Die zuständige Kommission des Zweitrates wird die Vorlage Ende Februar 2025 diskutieren.
Aus Sicht der Paul Schiller Stiftung gilt es, die im Nationalrat gefundene Mehrheit zu sichern sowie zwei konkrete Punkte genauer zu betrachten: die Begleitung beim Leistungsbezug und die Leistungskategorien.
- Erfahrungen auf kommunaler Ebene zeigen, wie wichtig eine gute Begleitung beim Bezug der Leistungen nach der Abklärung ist. Diese Aufgabe der Kantone könnte noch explizit verankert werden.
- Zudem könnte, basierend auf der nun eingefügten Zielorientierung, die Wirksamkeit der aufgelisteten Leistungskategorien geprüft werden. Dies für den allfälligen Anpassungsbedarf zeigen, um diese psychosoziale Ausrichtung auch in den beispielhaft aufgeführten Kategorien zu sichern.
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